Dienstag, 18. Dezember 2012

Advent, Advent; ein Lichtlein brennt!






Sometimes our light goes out, but is blown again into instant flame by an encounter with another human being.” - Albert Schweitzer






Auch mein Licht ist wieder aufgeflammt und die verschiedenen Gründe werden wohl ersichtlich werden, wenn ich von den vergangen Wochen berichte. 
Doch wann beginnen, wenn der letzte Eintrag – ja, ich bin mir meiner Schuld durchaus bewusst – schon mehr als einen Monat zurückliegt? Da schon Begegnungen angedeutet wurden, werde ich auch mit einer Begegnung um den ersten Advent beginnen.

Meine ersten 3 Monate in meinem Londoner Bett sollten durch einen Ausflug nach Dorset, einer ländlichen Grafschaft Englands, jäh unterbrochen werden; immerhin hatte ich geplant meinen Mitfreiwilligen Frerik in seinem Projekt zu besuchen. Nach einer 5 stündigen Tube-, Bus- und Autoreise erreichte ich Hilfield, das Mutterkloster der anglikanischen Franziskaner in Großbritannien, in dem Frerik sein Jahr mit forst- und landwirtschaftlicher Arbeit verbringt.

Im Herzen verwurzelt mit dem bergischen Land fühlte ich mich zwischen all den Hügeln und Wäldern natürlich heimisch, unterstützt wurde das Gefühl durch all die wunderbaren Menschen, die in dem Kloster ansässig sind; denn neben den Brüder gibt es noch einen Haufen Freiwilliger, die im Kloster leben und arbeiten. Ich schnupperte während meines Aufenthaltes in Freriks Aufgabenbereiche und vertrieb meine Zeit somit mit „Hedge laying“ (ein Bestandteil der Waldarbeit in Hilfield) und Gemüse schälen in der Küche. Mein vier tägiger Aufenthalt wurde mir mit zwei Ausflügen versüßt, die mich zu den berühmten Kathedralen von Wells und Salisbury führten. Gestärkt durch selbstgebackenes Brot und eine schöne Zeit in Gemeinschaft fuhr ich nach Hause – in die Balaam Street.

Den zweiten Advent verbrachte ich nicht alleine; Besuch hatte sich angemeldet.
Und so holte ich zwei Freunde vom Bahnhof St. Pancras ab, um mit ihnen die nächste Tage zu verbringen.
Neben dem üblichen Touristenprogramm, gab es auch für mich Neues zu entdecken.
Ich tauchte das erste Mal in das Camden Towner Nachtleben ein, das mich ganz verzaubert hat. Die Marktstände reihen sich aneinander und verkaufen Leckereien und logischerweise die total angesagte „second hand“-Kleidung für Hipster. Das Licht des Marktes und der Bars, Kneipen, Cafés und Restaurants spiegelt sich in einem Kanal, der durch das Viertel führt – somit eine herrliche Atmosphäre.
Doch auch die andere Seite Englands wurde mit meinen Freunden erkundet. Brother Vaughan, ein Bruder aus der Nachbarschaft, hatte nämlich für die Familien unseres Hauses einen Ausflug aufs Land organisiert.
Der Zug trug uns hinaus und die Metropole wurde von der Natur verdrängt, die uns ganz in sich auf nahm als wir unser Ausflugsziel, eine Farm mit riesigem Gelände, erreichten. Das Gelände wurde mit einer Miniatur-Bahn erkundet, die einen Halt bei „Father Christmas“ einlegte und somit ein wirkliches Highlight für Kinder, aber auch Eltern, war.

Der Besuch meiner Freunde ging schnell vorüber; was blieb waren schöne Erinnerungen und leider auch eine starke Erkältung. Tage des allein auf meinem Zimmer gesund Schlafens und Suppe Essens folgten.
Am Ende der Woche konnte ich mich jedoch wieder auf meine älteren Herrschaften freuen, die ich schon wirklich vermisst hatte. Zudem konnte ich endlich wieder tanzen, wobei es hier ein unglaublich großartige Neuerung gibt. Ich tanze jetzt nämlich im (zurecht) sehr berühmten „pineapple dance studio“, da ich hier die perfekte Klasse für mich gefunden habe. Das Training fordert mich wirklich heraus und ich kann mich somit gut weiterentwickeln. Während des Trainings habe ich zudem einen italienischen Tänzer kennengelernt, der seit kurzer Zeit auch in London lebt und mit dem ich nun viel Zeit verbringe.


Auch in Zukunft hält dies an, da ich über Weihnachten bzw. Silvester Besuch von meinen Mitfreiwilligen Marie, Grace, Jana und Frerik und meinem Bruder Lars mit seiner Freundin Anna-Marie bekomme.

We're gonna shine in blazing London. Versprochen!

Donnerstag, 1. November 2012

Mein freiwilliger Friedensdienst

Hier ein kleiner Beitrag über das Projekt und meine Arbeit. Der Text ist mithilfe von Auszügen meines Rundbriefes gestaltet, den ich für meine Trägerorganisation, die evangelische Kirche im Rheinland, schreibe. Viel Spaß beim Lesen!


 „Next stop 'Plaistow Station'! Please mind the gap!“ – der Spalt zwischen Bahnsteig und Bahn besaß für mich wohl eine andere Dimension als für die üblichen Fahrgäste; immerhin tat ich den ersten Schritt in meinen freiwilligen Friedensdienst, den ich für ein Jahr in einem Kloster der Franziskaner hier im Londoner Osten verbringe.
Neben der Gemeinschaft der Ordensbrüder beherbergt das Haus auch das – von ortsansässigen Freiwilligen getragene – Projekt „Helping Hands“, das einen Beitrag zur Nachbarschaftshilfe leistet.
Die Arbeit des Projekts kann in drei Bereiche unterteilt werden.
Vor Ort wird – neben heißem Tee und Sandwichs – ein offenes Ohr für Konversationen geboten, da im Büro immer ein Freiwilliger anzutreffen ist, der sich um die Ankommenden kümmert und den Telefondienst bestreitet. Neben dieser Arbeit wird vor Ort zusätzlich ausgesuchten Obdachlosen eine Unterkunft geboten, damit sie sich in Ruhe sammeln und auf einen Neustart vorbereiten können. Außerdem werden Hausbesuche vorgenommen, damit immobilen Menschen bei ihren Einkäufen geholfen werden oder ihnen ebenso ein offenes Ohr geboten werden kann.
Zurzeit leben neben Brother Julian, Brother Peter und mir fast ausschließlich obdachlose Familien im Haus der Gemeinschaft, wobei diese aus verschiedensten Ländern kommen – England, Pakistan, Ghana, Lettland, Litauen und Portugal sind im Moment vertreten. Durch die Vielzahl an Familien haben wir ein kinderreiches Haus, das vor Leben nur so boomt; hinzu kommen die täglichen Besucher, die dem Haus zusätzlich noch Leben einhauchen. Nichtsdestotrotz kann das Haus – gerade durch seinen wundervollen Garten – ein wunderbarer Ort der Ruhe und Einkehr sein, und damit seiner Funktion als Zufluchtsort vollkommen gerecht werden.  Ich arbeite hingegen hauptsächlich außerhalb des Hauses, besuche vor-und nachmittags ältere Menschen in der Nachbarschaft und verbringe meine Zeit mit ihnen. Meist unterhalten wir uns einfach, nachdem wir einkaufen waren oder einen kleinen Ausflug gemacht haben, der uns in andere Teile der Stadt zu verschiedensten Märkten, Parks oder Shoppingcenter geführt hat.

So besuche ich beispielsweise auch mit einer meiner Klientinnen jede Woche das Stratford-Shoppingcenter.

Hierfür benutzen wir den Rollstuhl, da sie durch ihre Erblindung Schwierigkeiten hat, lange Strecken mit ihrem Rollator zurück zu legen. Wenn wir dann unterwegs sind, erledigen wir meist die wöchentlichen Einkäufe (wobei ich mich mittlerweile sogar in englischen Supermärkten zurechtfinde, und alle englischen Produktnamen kenne; am Anfang war das gar nicht mal so einfach) und genießen danach englisches Essen – für sie jede Woche eine mit Käse gefüllte Pellkartoffel [jacked potato with cheese] . Bei ihr Zuhause verstaue ich dann die Einkäufe im Kühlschrank oder Gefrierfach und verstecke ihren Whisky vor ihrem Pfleger, der sie morgens für den Tag und abends für die Nacht vorbereitet; denn trotz ihrer Erblindung lebt Emma alleine in ihrem Haus und bekommt regelmäßig Besuch von ihrer Familie und von Freunden. Sie ist ein lebensfroher und genussfreudiger Mensch, es ist wunderbar zu sehen, dass die jede Minute ihres Lebens genießt. Da viele meiner Klienten noch alleine leben, aber nicht alle so viel Unterstützung und Besuch von ihrer Familie bekommen, sind sie stets sehr dankbar, wenn ich mit ihnen Ausflüge machen und wir dabei die Einkäufe erledigen.

In meiner freien Zeit werden Ausflüge und Einkäufe jedoch ausschließlich mit dem Fahrrad erledigt, da die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel durch fehlende oder unbezahlbare Monatskarten einfach zu teuer ist. Dabei ist es interessant festzustellen, dass das Fahrrad nicht nur günstiger für Geldbeutel und unsere Umwelt ist, sondern zusätzlich auch noch schneller als das Auto oder der Bus.
So führen mich meine wöchentliche Fahrradtouren durch Plaistow mit seinen britischen Backsteinhäuschen, über die Isle of Dogs mit ihren    riesigen Gebäudekomplexen oder auch durch Greenwich mit seinen viktorianischen Prachtbauten.

Wir hören uns bald wieder - versprochen.
Euer Jens

Und wenn ihr auch Interesse an einem freiwilligen Friedensdienst habt, dann schaut doch mal bei der Arbeitsstelle für KDV, ZD und FFD der evangelischen Kirche im Rheinland vorbei [ www.aktiv-zivil.de].

Dienstag, 9. Oktober 2012

First month - First impression


Der erste Monat ist vorüber und jeden morgen, wenn ich meine Augen öffne – durch die Sonne (und das schrille Piepen meines Weckers) geweckt – blicke ich durch mein Fenster in den Garten der Gemeinschaft. Ein Anblick, den es wohl nur selten in London gibt, denn obwohl London eine durchaus grüne Stadt ist, gibt es wohl keinen Ort, der solch eine Ruhe ausstrahlt. Mein Zimmer, das mir diesen Ausblick ermöglicht, liegt in der obersten Etage der Friary und hat neben gelben Wänden, antiken Möbeln, einem eigenen Waschbecken und einem bequemen Bett, eine Dachterrasse, auf der meine Wäsche an Leinen hängt und auf der ich im Sommer die Sonne genießen werde.
Meist düse ich mit meinem Fahrrad durch die Stadt, da die öffentlichen Verkehrsmittel zum einen viel zu teuer sind, als das man sie ständig benutzen könnte und zum anderen sieht man mehr von der Stadt und lernt seine Umgebung kennen. Die meisten Eindrücke habe ich wohl auch beim Fahrrad Fahren gesammelt; Menschen verschiedenster Kulturen ziehen vorüber, man sieht ihre britischen Backsteinhäuschen und Vorgärten, hört den Verkehr auf den Straßen ebenso wie die Vögel am Himmel. 

Es ist eine Großstadtidylle und spätestens, wenn man zum Greenway fährt, sieht es jeder; man blickt über einen Park mit einer gewaltigen Grünfläche zur 'tube', die sich durch die Stadt zum Zentrum schlängelt, und dann sieht man sie schon – die Skyline Londons.

London scheint also der richtige Ort zu sein, um zu sich zu finden – gerade auch durch die Gebete, an denen ich Teil haben darf, wann immer ich möchte.



Trotz dieser hervorragenden Voraussetzungen fehlte mir das Tanzen, die Möglichkeit der Weiterbildung und natürlich Kontakt mit Gleichaltrigen.

Mein erster Versuch eine gute Tanzschule zu finden, führte mich ins Zentrum Londons. Doch leider stellte sich heraus, dass Tanzschulen dort grundsätzlich überfüllt und viel zu kommerziell sind. So war meine Enttäuschung groß als ich zur Friary zurückkehrte.
Auch meine Suche nach Englisch- oder Französischen Kursen schien verzweifelt. Entweder waren die Kurse nicht meinem Niveau entsprechend, viel zu teuer oder fanden nicht statt, obwohl ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Eine Bücherei-Karte konnte mir auch nicht ausgestellt werden, da ich keinen britischen Wohnortsnachweis besaß und so musste ich frustriert einsehen, dass wohl nicht alles in der ersten Woche zu erledigen ist – geschweige denn Freunde gefunden werden können.

Die zweite Woche führte mich dann aber zum Ziel;
Nach weiterer Internetrecherche hatte ich eine Tanzschule in Greenwich (gesprochen: Grännesch)
gefunden, die abgesehen von relativ gutem Unterricht sogar mit dem Fahrrad zu erreichen war.
Die Bücherei-Karte konnte mir von einem Bruder der Friary auch organisiert werden, sodass ich meinen ersten Abend mit britischen Gedichten verbringen konnte. Alles in allem hatte ich in der zweiten Woche also alles, was ich mir vorgenommen hatte.

Sogar der Kontakt zu Gleichaltrigen war langsam ins Rollen gekommen, nachdem ich am Sonntag in eine Kirche, die auch aus meinem Fenster zu betrachten ist, gegangen war.
Es hatten sich mir alle Leute liebevoll vorgestellt und sich über mich informiert, um mir dann mitzuteilen, dass eine deutsche Frau mit britischem Mann und britischen Kinder in der Gemeinde ist.
Die Familie Brittain (ja, so heißen sie wirklich) lud mich dann auch prompt zum Essen ein, sodass ich die Möglichkeit hatte alle ein bisschen näher kennenzulernen. Es ist eine höchst freundliche und zuvorkommende Familie, sodass ich auch direkt auf verschiedene Veranstaltungen für junge Menschen hingewiesen wurde, an denen ich auch teilnahm und so viele Kontakte knüpfen konnte.
Mittlerweile war ich schon mit ihnen im Museum, im größten Einkaufszentrum Europas, auf einer riesigen Geburtstagsparty und habe jeden Montag und Freitag die Möglichkeit mit ihnen im Jugendzentrum zu sitzen und mit ihnen über verschiedenste Dinge zu sprechen.

Ich danke euch für euer Interesse und kann diesmal versprechen, dass als nächstes ein Text über die Friary, ihre Bewohner und meine Arbeit folgt.

Fröhlichste Grüße vom Jens ( und anbei ein Link zur 'Bed-and-Breakfast'-Möglichkeit bei den Brittains: http://www.budgetplaces.com/london-bed-and-breakfast-26110-brittains-b-b.html )

Dienstag, 2. Oktober 2012

Blazing London


Die Flamme – sie lodert lebendig,
ist stets in Bewegung und flackert,
flammt auf oder gibt Wärme,
für alle die Geborgenheit suchen.

Die Stadt – sie lodert lebendig,
ist stets in Bewegung und flackert,
flammt auf oder gibt Wärme,
für alle die Geborgenheit suchen.

Die Flamme – sie überzeugt
mit einer Vielfalt an Farben,
eine Pracht, die überall
anders scheint, anders brennt.

Die Stadt – sie überzeugt
mit einer Vielfalt an Farben,
eine Pracht, die überall
anders scheint, anders brennt.

London – die immerwährende Flamme – das lodernde Feuer.

London ist eine so unbeschreiblich dynamische Stadt. Niemals steht sie still, immer ist sie bewegt von den Menschen, die in ihr leben. An jedem Tag gibt es Neues zu erleben, das plötzlich wie aus dem Nichts auftaucht.
Diese Dynamik wird nur unterstützt durch die Vielfalt der Kulturen, der Religionen, der Menschen überhaupt. Jeder trägt seinen Teil zur Pracht Londons bei und alles zeigt einen ganz individuellen Glanz.
Trotz der Größe und steten Bewegungen findet man immer die Geborgenheit der brennenden Stadt wieder.

Und unser wundervolles Haus of divine compassion ist ein Abbild der Stadt – stets ein reges  und buntes Treiben und dennoch oder gerade durch diese Dynamik gibt es so viel Möglichkeit Geborgenheit zu finden.



Es berichtete euer Jens, der verspricht bald "First month - First impression" zu veröffentlichen.




(Es gibt auch dunklere Seiten Londons, aber über diese werde ich wohl später berichten, wenn ich mir ein differenziertes Urteil gebildet habe.)