Freitag, 18. Januar 2013

Schnee in London ...



Schnee hat sich über die Stadt gelegt; und es kommt Weihnachtsstimmung auf. Auch in unseren Fenstern glitzern rote und goldene Kugeln, und auch ein paar Weihnachtsmänner stehen in unserem Haus – einer auf meinem Waschbecken. Leider spreche ich nicht über die Vergangenheit, vielmehr über gegenwärtige Ereignisse. Die Weihnachtsdekoration wurde noch nicht wieder in den Tiefen unseres Hauses verstaut und der Schnee hat sich wohl verspätet.
Nun hat das Ganze aber auch seine Vorteile, immerhin ermöglicht es mir über Weihnachten in London zu berichten, ohne mir über meine Verspätung bewusst zu sein.
Brother Julian berichtete in einer Danksagung für all unsere Weihnachtskarten wahrheitsgemäß, dass wir hier im Kloster eine deutsche Weihnacht gehabt haben. Zum einen hatte ich Besuch von meinen deutschen Frankreich Freiwilligen und von meinem Bruder und seiner Freundin und zum anderen übernachteten drei meiner Vorgänger hier im Haus – zwei von ihnen mit Freundin. Wer rechnen kann kommt schnell auf die Anzahl von elf Deutschen.
Am Heiligen Abend schmückte ich den Baum mit meinen ersten Ankömmlingen, um uns schnell in Weihnachtsstimmung zu versetzen und die Bescherung zu versüßen. Mit dem besten Weihnachtsgeschenk, einem selbstgestrickten Pullover von meiner Mama, ging es dann schnell in den Mitternachtsgottesdienst. Hier startete dann auch die englische Weihnachtszeit, mit dem traditionellen Entzünden der Weihnachtskerze.
Den nächsten Morgen verbrachten wir in einem anderen Gottesdienst, mit glorreichen Liedern, die mir die nächsten Tage nicht mehr aus dem Kopf gehen sollten. Ansonsten hieß es an diesem Tag: Turkey, Turkey, one more time (für mich die vegetarische Pilzvariante) mit anschließendem Christmas Pudding und einem Geburtstagsständchen für „Little Jesus“. Der Tag ging schnell vorrüber und so wurde die Nacht sehr bald mit traditionellen Weihnachtsliedern eingeleitet, die leider nur Brother Julian und Brother Vaughn wirklich gut konnten.

Nach und nach reisten mehr Besucher an, bis wir für Silvester dann komplett waren.
Wir hatten uns vorgenommen, das große Feuerwerk am „London Eye“ zu bewundern, und so machten wir uns am frühen Abend auf in die Innenstadt. Auf das lange Warten hatten wir uns mit der ein oder anderen Hose eingestellt. Rekordhalter war ich mit 4 Hosen übereinander. Die Langeweile bekämpften wir hingegen mit lustigen Spielchen – ein Hoch auf Prominenten-Raten.
Um Mitternacht begann dann das Feuerwerk, das jedem den Atem raubte. Es ist unbeschreiblich, was in dieser Nacht den Himmel erleuchtete. Ich schien aus dem Staunen nicht mehr raus zu kommen – auch wenn ich das Verbrennen von Geld normalerweise nicht gutheiße.
Immerhin war aber der restliche Himmel Londons nur von Sternenlicht erleuchtet, sodass mein schlechtes Gewissen sich im Rahmen hielt; ein gewaltiges Feuerwerk für eine Stadt mit mehr als 8 Millionen Einwohner wird wohl noch besser sein als eine Stadt mit 8 Millionen Feuerwerken.

Nichtsdestotrotz kann man wohl auch ein Feuerwerk auf andere Weise kritisch beleuchten. Durchaus ist von einer Art Propaganda zu sprechen, wenn in einer Zeit, in der die Unabhängigkeit Schottland debattiert wird, Aussprüche wie „You showed us the best face of Britain. One United Kingdom. One flagg. One celebration!“ und „You brought home the truth about us and about this country. Then when we put our minds to it, there is no limit, what Britain can achieve!“ Einigkeit preisen.

Nachdem sich die Menschenmassen wirklich diszipliniert aufgelöst hatten, bestritten auch wir den Weg in den Osten Londons und ließen uns immer noch verzaubert in unsere Betten fallen.
Die wundervolle Zeit voller Gemeinschaft hatte einen glanzvollen Abschluss gefunden.

„Blazing London“ scheint wohl wirklich der Titel meines Jahres zu werden:

[http://www.youtube.com/watch?v=4e8vfRTsFU4]


Mittwoch, 2. Januar 2013

"Der Gast ist König!"



Mit mehr als 8 Millionen Einwohnern ist London die bevölkerungsreichste Stadt der europäischen Union. Doch die Metropole kann nicht nur mit ihrer Einwohnerzahl punkten. Vielmehr ist London mit 16,9 Millionen internationalen Gästen jährlich die meist besuchte Stadt der Welt. Mit allerhand Investitionen im Zentrum Londons versucht man die Besucher dauerhaft zufrieden zu stellen, um den Tourismus zu fördern. Natürlich muss dieser existenzielle Wirtschaftsbereich unterstützt werden. Aber sollten die Touristen auch – ganz nach dem Motto „Der Gast ist König!“ – Priorität gegenüber der Bevölkerung genießen?

„Das letzte Mal waren wir vor acht Jahren hier – wir haben da vorne auf der Treppe geschlafen!“
Katharina, die Mutter von zwei Kindern, weist zu den Stufen der National Galerie am Trafalger Square.
Im Osten der Metropole lebt man in einer ganz anderen Welt. Viele Menschen sind in finanzieller Not. Gerade die Menschen in unserem Haus begleitet zudem die ständige Angst vor Obdachlosigkeit; sie haben keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung. Mein Projekt
helping hands ermöglicht diesen hilfsbedürftigen Familien mindestens einmal im Monat einen Ausflug, um die Sorgen für einen Moment zu vergessen. Und obwohl die Kinder in London wohnen, haben viele bei unserem Besuch des Londoner Stadtkerns zum ersten Mal das Parlament ihres Landes gesehen. Durch die unbeschreiblich hohen Fahrkartenpreise ist es den meisten Familien in östlichen Stadtteilen unmöglich Ausflüge in die Innenstadt zu unternehmen. Manch einer besitzt zumindest noch das Privileg, Arbeit im Stadtkern gefunden zu haben. (158 Euro monatlich müssen dann aber vom Gehalt für die Anreise abgezogen werden.)

Aber vielleicht ist genau das auch die Absicht, vielleicht sind weite Teile der Stadt nur noch für Touristen gedacht. Es erinnert mich ein wenig an Disneyland – alles ist großartig. Die Touristen sind wunschlos glücklich mit ihren Sehenswürdigkeiten, den ausgezeichneten Verkehrsanbindungen und den kostenfreien Museen. Und obwohl die Museen kostenfrei sind, so sind sie für viele Menschen noch lange nicht barrierefrei. Alternativen bleiben aber auch keine, zumindest habe ich noch kein Museum in unserem Stadtteil gesehen.

Doch was ist zu tun, wenn Geld ausschließlich in den Stadtkern fließt, obwohl die breite Masse und auch der größte Bevölkerungszuwachs in östlichen Gebieten liegt?
Investitionen sollten nach Notwendigkeit und nicht nach Lage verteilt werden, denn obwohl London von seinem Tourismus lebt, ist das schlagende Herz immernoch die Bevölkerung. Und auch Touristen sollten ihren Teil beitragen. Außergewöhnlichere Orte abseits von Sehenswürdigkeiten können auch besucht werden; sie können durch ihren ganz eigenen Charme und die dort lebenden Menschen bestechen.
Denn britisch ist nicht, was man bei Souvenirhändlern findet; britisch sind die Menschen und ihr Zuhause.

(Informationen von [www.visitbritain.org], [http://www.london.gov.uk/shaping-london/london-plan/facts/] und [www.en.wikipedia.org/wiki/Tourism_in_London])